Befestigte Keller

Besonders in der "Oberrheinstellung" sind in den "Stellungskarten" der Befestigungsatlanten (BAMA 932-9 KART, NARA) Bunker eingetragen, die den Vermerk "Keller" oder "Zollhaus" tragen. Oftmals mit der Symbolik eines "MG-(Doppel)-Schartenstandes", also mit ein oder zwei Scharten für ein Maschinengewehr. Es handelt sich um "MG-Kampfräume", die in bestehende oder neu errichtete Häuser eingebaut wurden. Diese Mischung aus ziviler und militärischer Infrastruktur könnte man als Merkmal eines totalitären und militaristisch eingestellten Staates ansehen.

Das Besondere: Während die Mehrzahl der Westwallbunker gesprengt und beseitigt wurde, blieben diese Häuser mit ihren Kellern intakt. Oftmals mit ihren Türen und Panzerplatten, manchmal sogar mit weiterer technischer Einrichtung. Das verleiht diesen Räumen einen hohen Grad an Authentizität. In diesen Räumen kann man sich vorstellen und viel leichter erklären, wie "Bunker" in den damaligen Vorkriegsjahren aussahen, wie diese theoretisch hätten "funktionieren" sollen und welche desaströse Konsequenzen Kampfhandlungen innerhalb von Ortschaften sowohl für die beteiligten Soldaten als auch (und noch viel mehr) für Bewohner und Nachbarn gehabt hätten.

Das strategische Konzept dieser Keller ist nicht eindeutig geklärt. Der Bau und Bezuschussung solcher Anlagen regelten die "Schutzbestimmungen" vom 4.5.1937 (vergl. GROSS 1982 nach BAMA RH19 III/21), womit der Einbau von MG-Kampfräumen in zivilen Gebäuden ermöglicht wurde, und scheinbar in einigen Fällen zu wenig sinnvollen "Gelegenheitsbauten" weit hinter der befestigten Zone führte. Jedoch gibt es gerade in der Oberrheinstellung eine Häufung von "Zollhäusern", sowohl bereits bestehende als auch Neubauten, worin ein MG-Kampfraum gezielt auf die von Westen, Süden oder Norden in eine Ortschaft führende Straße eingerichtet wurde. Ihre Widerstandsklasse überschreitet mit 60 cm Wandstärke und einer 25 oder 30 mm starken Panzerplatte nicht die "Baustärke C", also taktisch nur für einen vorübergehenden Zweck. Man könnte annehmen, dass die Befestigten Keller in der Oberrheinstellung eine Rolle in der Kontrolle von Straßen und Ortschaften zwischen und landeinwärts von Brückenköpfen innehatten, also in den ersten Stunden und Tagen eines Rheinübergangs, worin kleine, leicht bewaffnete französische Verbände versuchen könnten, eine feste Brücke von der badischen Seite her einzunehmen.

Der heutige Umgang mit diesen Räumen als Bestandteile des Kulturdenkmals "Westbefestigungen" ist nicht klar definiert, weil damit die Unterschutzstellung des gesamten Gebäudes vonnöten wäre, was in den meisten Fällen nicht das gewünschte, schützende Instrument darstellt. Dennoch wäre eine Form von Denkmalschutz für diese Räume wünschenswert. Für die Eigentümer wäre damit die steuerliche Absetzbarkeit von Erhaltungsmaßnahmen von Vorteil.

Bislang wurden diese Keller vor allem in der "Oberrheinstellung" angetroffen, aber vereinzelt auch in Rheinland-Pfalz und NRW, und wahrscheinlich gibt es sie auch im Saarland. Auch in der Bayerisch-Tschechischen Grenzstellung sind Exemplare bekannt.

Technisch wurden die Entwürfe denen der Westwallbunker stark angelehnt, jedoch sieht man den Kellern die Improvisation an. Das schlägt sich auch in den verwendeten Türen und Panzerplatten nieder.

Es gibt zum Beispiel Fälle, worin Gasschutzflügeltüren Typ 19P7 eingebaut wurden, wie man sie auch von Westwallbunkern kennt:

Befestigter_Keller_Tür_19P7.jpg

 

Befestigter Keller Tür 19P7 2

Jedoch die typologische Bezeichnung für diese Gasschutzflügeltür ist unbekannt, und wird erstmal als Bauteil [457] aufgenommen:

Befestigter_Keller_Tür_Bauteil_457.JPG

Auch die typologische Bezeichnung für diese Gasschutzflügeltür ist nicht bekannt und wird erstmal als Bauteil [458] aufgenommen:

Befestigter_Keller_Tür_Bauteil_458.jpg

Einen Raumlüfter, wie dieser HES 1,2 gibt es nur selten. Ohnehin passt zum provisorischen Charakter und vorübergehender taktischer Aufgabe, dass es auch nur selten eine (Gas-) Schleuse gibt und Schutz vor Giftgasangriffen in der Regel nicht gegeben ist.

Befestigter_Keller_Lüfter_HES_1-2.JPG

Keller können Kellerfenster haben, und die wurden mit speziellen Fensterläden aus Stahl geschlossen. Auch deren Typenbezeichnung ist unbekannt, deshalb werden diese als Bauteil [456] gelistet:

Befestigter_Keller_Fensterladen_2.jpg

Befestigter_Keller_Fensterladen_3.jpg

Beiderseits von solchen Fenstern kann es eine Aussparung mit einer Halterung für einen zusätzlichen Balken geben. Damit wurden die beiden Fensterläden zusätzlich gegen Sprengdruck gefestigt, weil die Scharniere nach innen öffnen:

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Befestigter_Keller_Fensterladen_Bauteil_456_2.jpg

 

Befestigter_Keller_Fensterladen_Bauteil_456.jpg

MG-Scharten von wahrscheinlich etwas später (~1938/39) in einem Keller eingebauten MG-Kampfräumen zeigen eine relativ einfache Stufenscharte vor einer "Stahlschartenplatte für MG" Typ 422P01, deren Sehschlitz abgeschnitten wurde. Damit war eine Verwendung für ein "schweres MG" (also mit Feuerleitung gegen entfernte Ziele) kaum möglich, sondern höchstens für ein "leichtes MG" (das gleiche Gerät, aber beschränkt auf den Nahbereich).
Außenseitig wurde die Scharte mit einem tarnenden Fensterladen aus Holz versteckt, wofür die Angel und Verschlüsse noch vorhanden sind:

Befestigter_Keller_MG-Scharte.jpg

Man beachte die entgegesetzte vertikale Lage der Scharnierzapfen, die das einfache Ausheben der Fensterläden verhindert hat.

 

Befestigter_Keller_MG-Scharte_3.jpg

Die etwas früher entstandene MG-Kampfräume in einem Keller (~1937) zeigen deutlich komplexere Scharten, bei denen eine Nebenscharte für den Sehschlitz der "Stahlschartenplatte für MG" Typ 403P9 vorhanden ist. Das hatte den Anspruch, ein "schweres MG" (das alte klassische MG 08/15) auf einem Schießtisch aufzustellen und mit drei Personen zu bedienen, wovon eine die Feuerleitung durch den Sehschlitz übernimmt:

Befestigter_Keller_MG-Scharte_mit_Sehschlitz_2.jpg

 

In diesem Fall war der Keller so tief angeordnet, dass die Schartenstufen statt nach oben, hier teilweise nach unten führen und die Nebenscharte für den Sehschlitz sehr niedrig ausfällt. Das zeigt, wie von Normen Abstand genommen und improvisiert wurde:

Befestigter_Keller_MG-Scharte_mit_Sehschlitz.jpg

Die Innenseite einer MG-Scharte in einem gar nicht so typischen MG-Kampfraum: Hier ist nicht nur die "ältere" MG-Stahlschartenplatte Typ 403P9 noch intakt vorhanden, sondern davor hängt noch ein Schießtisch aus Holz (!). Die Schiene in der Mitte diente zur Aufnahme einer Lafette, worauf das eigentliche Maschinengewehr aufgebaut wurde. Die beiden Leisten auf der Tischplatte dienten der seitlichen Fixierung:

Befestigter_Keller_Stahlschartenplatte_für_MG_403P9.JPG

Hier noch mal eine MG-Stahlschartenplatte Typ 403P9: Die Beschriftung über dem Sehschlitz soll verhindern, dass durch Nachlässigkeit Licht aus Scharten austritt, damit den Standort verrät und die Scharte ein direktes Ziel für den Gegner wird.
Beide Öffnungen, links der Sehschlitz, rechts für den Lauf des Maschinengewehrs, sind mit einer verschiebbaren Stahlplatte, dem "Schartenschieber", geschlossen. Diese lassen sich in geschlossener Endstellung gegen das Verschieben verriegeln, erkennbar an der Stellung des drehbaren Handgriffes der MG-Scharten-Abdeckung und der damit betätigten beiden vertikalen Riegel. Dem gleichen Zweck dienen die beiden runden Knöpfe am Sehschlitz.

Befestigter_Keller_Stahlschartenplatte_für_MG_403P9_2.JPG

 

Die "Befestigten Keller" sind zweifellos aussagekräftige Bestandteile der NS-Epoche, deren Authentizität am Geschichtsbewusstsein von Bewohnern, Anwohnern, Schulkindern und Dorfgemeinschaft beitragen kann: Der Zweite Weltkrieg hat auch in Ihrer und in Deiner Nachbarschaft Spuren hinterlassen die Anlass geben können, Fragen zu stellen.

Patrice Wijnands & Sami Stiefvater - VEWA e.V.


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