Luftschutz und Zivilschutz

Auf Spurensuche in der Innenstadt

Text & Bilder: Patrice Wijnands - VEWA e.V.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges liegt 2020 75 Jahre hinter uns, jedoch die damaligen "Phänomene" sind gar nicht nur "von damals": Rassismus, Rechtsextremismus, nationaler Egoismus, Militarismus, Krieg und Zerstörung sind auch heute gar nicht so weit weg.
Die in vielen Städten ganz alltäglichen Luftschutzmarkierungen wie hier im Bild sollen uns daran erinnern, was passiert wenn man diese Phänomene für "Lösungen" hält und auf Diktatur anstelle von Demokratie setzt. Sie erinnern damit an die Zeit der NS-Diktatur, die nicht nur in Nürnberg oder Berlin noch heute sichtbare Spuren hinterlassen hat, sondern überall in der Bundesrepublik (und auch darüber hinaus), wenn man es nur sehen will. Der Zweite Weltkrieg war wortwörtlich auch vor deiner Haustür!
Diese Spuren helfen uns allen - ganz im Sinne einer demokratischen-rechtstaatlichen Gesellschaft - diese Jahre bleibend kritisch zu hinterfragen und ihre Zusammenhänge bis in die heutige Zeit zu verstehen.
Deshalb ist es wichtig, dass diese Relikte des "Luftschutzes" im Stadtbild vieler Orte der Bundesrepublik erhalten und ein täglicher "Stein des Anstoßens" bleiben.

Ort der Aufnahme: Karlsruhe, Georg-Friedrich-Str 23.


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Wenn man Städte in der Bundesrepublik auf diese Spuren hin untersucht, findet man in jeder Stadt ähnliche, aber auch regionaltypische oder ortstypische Zeichen. Aber wie sehen die aus und wo kann man die finden?

Als Faustregel kann gelten: Gerade die "Gründerzeitviertel" mit viel Bausubstanz aus der Periode 1880-1920, worin oft viel Buntsandstein vorkommt, und verputzte und angestrichene Gebäude aus 1920-1940 konservieren bis heute viele Spuren. Sind die Straßenzüge etwas weniger gepflegt, wirkt sich das auf die Vielfalt günstig aus.

Nach dem Krieg wurden diese Markierungen überstrichen oder aus den Steinen heraus geschliffen, was oft nur sehr subtile Spuren hinterlässt, wie weiße Farbreste in Fugen oder unter Kanten. Jedoch ein gründliches Sandstrahlen entfernt die Markierungen endgültig, oder macht sie hinter Dämmplatten unkenntlich, was im Zuge von Sanierungsmaßnahmen verstärkt vorkommt.

Die nachfolgenden Seiten können helfen, Luftschutzmarkierungen zu finden und zu verstehen, und sollen ermutigen selbst mit einem ganz anderen Blick durch die Stadt zu laufen. Je mehr Menschen die Bedeutung dieser Markierungen kennen, desto größer wird die Chance, dass auch Hauseigentümer und Mitarbeiter von Renovierungsfirmen diese erhalten.

Warum ist Erhalt dieser Spuren so wichtig?

Die Luftschutzmarkierungen sind Spuren der Angst der Stadtbewohner vor Luftangriffen und bezeugen den Schrecken des Krieges, deuten jedoch auch auf dessen Bagatellisierung durch die NS-Führung hin. Diese setzte mit dem Reichsluftschutzgesetz (1935), mit den ersten Luftschutzräumen unter öffentlichen Gebäuden und Plätzen noch vor dem Krieg, und nach den ersten großen Luftangriffen mit dem "Führersofortprogramm " (1940) zum Bau von Hochbunkern (die nicht "Menschen", sondern Arbeiter, Soldaten und ihren Familien schützen sollten) auf eine tiefgreifende Militarisierung der zivilen Gesellschaft, die bis heute sichtbar ist.

Zwar wurden nach dem Krieg viele Spuren beseitigt, jedoch schon in den Fünfzigerjahren führte der Kalte Krieg zu einem erneuten Bedarf nach Schutzräumen im Rahmen des "Zivilschutzes". Spätestens seit der Kuba-Krise (1962) versuchte die Bundesrepublik die Gefahren eines nuklearen Angriffs auf Städte durch bauliche Maßnahmen zu begegnen, die bis in die Neunzigerjahren andauerten: Mit dem Umbau von Hoch- und Tiefbunkern und mit dem Neubau von Schutzräumen, zu einem Teil als "Mehrzweckanlagen" in öffentlichen Räumen wie Tiefgaragen und einigen U-Bahnhöfen und Straßentunneln. Diese Versuche Bevölkerung zu schützen, mussten stets hinter der ethischen Frage zurück bleiben, wer denn hinein durfte und wer nicht, weil Platz war immer knapp. Kurioserweise setzte sich so die "Verbunkerung" der zivilen Gesellschaft fort. Deswegen bieten die Städte der Bundesrepublik heute eine Denkmal- und Erinnerungslandschaft, worin die allgegenwärtigen Spuren von "Luftschutz" und "Zivilschutz" ein ungeahntes Potential aufweisen, an eine tolerante, demokratische Gesellschaft beizutragen, die eine Friedens- und Dialogkultur um so mehr zu schätzen weiß.

Weiterlesen:
Luftschutz in Karlsruhe

Zivilschutz in Karlsruhe

Karlsruhe: Übersichtskarte und Karten je Stadtteil


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